bookmark_borderKunst ist Interesse

Ich begegne einem alten Bekannten, der sich neuerdings als Künstler vorstellt. Er erzählt von spannenden Projekten, drei Ausstellungen gleichzeitig, Erfolg nur noch eine Frage der Zeit. Freischaffend produziert er jetzt Kunst, um damit Geld zu verdienen. Er redet wie ein Verkäufer, je länger ich ihm zuhöre desto mehr habe ich das Gefühl, ihm etwas abkaufen zu müssen.

Auf Facebook sehe ich mir einige seiner Bilder an: Allesamt hässliche Porträts mit hochtrabenden Namen (a la “oeuvre XX”). Viel Farbe auf grossem Format. Keins macht Lust zu verweilen. Ich frage mich, was für eine Art Publikum er damit anspricht.

Und ich frage mich nach dieser Begegnung: Verdient, was da in bester Absicht kreiert wurde meine Anerkennung, bloss weil es als Kunst deklariert ist? Muss ich es wohlwollend betrachten, auch wenn es hoffnungslos grottig aussieht, nur um meine Solidarität mit dem armen Künstler zu bekunden. Auch wenn ich ihn als Dilettanten betrachte?

Als Kunst sehe ich das, was mein Interesse daran weckt, mehr davon zu bekommen. Wenn ich gerne Zeit damit verbringe, um darüber nachzudenken und dabei neues lerne. Wenn ich Lust bekomme, Kenntnisse zu erwerben über den Künstler, die Zeit, das Gesamtwerk. Über seine Freunde, Feinde, seine Ansichten, die Auseinandersetzungen, die Art und Weise, wie er gearbeitet hat. Kunstwerke haben eine befreiende Wirkung, sie verbessern das Leben. Es ist leicht, das schlechte Leben abzubilden, aber nur wenigen gelingt es, sogar aus Katastrophen Kunst zu machen.