bookmark_borderSelbsterfüllende Prophezeiungen

Prophezeiungen zum baldigen Untergang der Welt gab es immer, und Schwarzsehen ist eine beliebte Form der Unterhaltung, zum Beispiel nach einem reichlichen Essen mit Freunden.

Heute sorgen die Algorithmen der sozialen Medien dafür, dass ein paar wenige Influencer aus einer einzelnen Unglücksnachricht eine globale Bedrohung erschaffen, woraus sich dann allerdings ganz reale Erwartungsängste der “follower” ergeben. “I want you to panic”, oder “Indigniez-vous” – solche Parolen, gut gemeint vielleicht als Weckruf gegen die Lethargie der Selbstzufriedenen, schlagen rasch in ihr Gegenteil um, wenn sie von Wutbürgern vereinnahmt und von Aktivisten verstärkt werden.

Angesichts von drohenden Katastrophen wäre es ja eigenlich vernünftig, die Dinge ruhig zu analysieren und Massnahmen umfassend abgestützt zu vereinbaren. Weder Panik noch Empörung, nur Gelassenheit und klares Denken werden uns helfen – vielleicht. Der erste Schritt dorthin ist einfach: Aufhören, ein “follower” zu sein.

bookmark_borderLast der Vernunft

Wenn wir Böses denken, regt sich die innere Zensur.  Wir bekommen ein schlechtes Gewissen, oder wir bestrafen uns selbst, zum Beispiel mit exzessiven sportlichen Leistungen, um uns so zu disziplinieren.

Es muss vernünftige Gründe geben, dass wir dies tun, sie liegen wahrscheinlich in der alten Einsicht, dass es langfristig für alle besser ist, wenn wir unsere Wünsche nach Zerstörung zurückbinden, in eine zivilisierte Form überführen und sie so irgendwie sozial verträglich ausleben. Dieses vernünftig sein kostet Energie, weshalb man abends müde ist vom sich zurückhalten, positiv denken und konstruktiv handeln müssen. Man kann das Kulturleistung nennen, oder den sozialen Vertrag: die Idee ist jedenfalls, dass jeder zum friedlichen Zusammenleben beiträgt, und dafür selbt in Frieden gelassen wird.

Allerdings profitieren nicht alle gleich stark von diesen Anstrengungen. Viele ernten für ihren Beitrag kaum Anerkennung. Vielleicht arbeiteten sie früher in einem angesehenen Beruf,  den es heute nicht mehr gibt: nun müssen sie sich noch mehr anstrengen als zuvor, haben aber ihren Status als wertvolle Mitglieder der Gesellschaft verloren und werden benachteiligt. Oder sie sehen, dass andere scheinbar mühelos vorankommen in ihrem Leben, während sie selbst Krankheit, soziale Konflikte oder andere Hürden überwinden müssen. Für sie ist der soziale Vertrag nicht mehr erfüllt: Sie sollen mehr beitragen, ihre persönlicher Gewinn dagegen wird kleiner.

Es verwundert wenig, wenn solche im Leben zu kurz gekommene die kulturelle Anpassungsleistung irgendwann verweigern und politischen Verführern folgen, die ihnen als erstes Freiheit von der Last der Vernunft versprechen.

bookmark_borderDer andere Zustand

“Man hat ihn den Zustand der Liebe genannt, der Güte, der Weltabgekehrtheit, der Kontemplation, des Schauens, der Annäherung an Gott, der Entrückung, der Willenlosigkeit, der
Einkehr und vieler andrer Seiten eines Grunderlebnisses, das in Religion, Mystik und Ethik
aller historischen Völker ebenso übereinstimmend wiederkehrt, wie es merkwürdig entwicklungslos geblieben ist.” (Musil)

Das Gegenstück zu diesem “anderen Zustand” ist unser Getriebensein im Alltag, das Normalbewusstsein, mit dem wir wahrnehmen was rundum geschieht. Im Normalzustand gehorchen wir den Normen der Effizienz.

Aus Distanz betrachtet gleicht das effiziente Leben dem sprichwörtlichen Hamsterrad, in dem wir uns  drehen, ohne wirklich voranzukommen. Wenn wir einsehen, dass zusätzliche Anstrengung nichts bringen, versuchen wir, in den anderen Zustand zu kommen.

In den anderen Zustand gelangen wir am besten durch Anhalten. Anstatt Angst zu haben, wir könnten etwas verpassen, können wir lächeln über die Kürze des Lebens und den Ernst, mit dem wir uns selbst zum Zentrum des Universums machen. Der andere Zustand wird zwar nicht von Dauer sein, aber er ist dennoch zeitlos. Aus ihm kehren zurück in den Alltag wie von einer langen Reise.

bookmark_borderFreude des Alleinseins

Zu denen, die ich bewundere, gehöre ich nicht, was ich werde, weiss ich nicht.
Um Erfolg zu haben, müsste ich zurückschauen. 

Sich einrichten im Alleinsein:

Auf Passfahrten mit dem Velo: ich schaue den Gedanken zu, wie sie langsam kommen und gehen, im Takt der Pedale. Oben angekommen sind die alltäglichen Sorgen vergessen.   

Oder mitten unter Menschen, wenn man draussen steht und die anderen sieht, ihre Art zu gehen, ihre Gesichter, wie sie einander berühren oder meiden.

In ein Gespräch vertieft, innerlich zurücktreten und fragen:  Worüber reden wir? Dass wir beide Recht haben, ist ohnehin klar. Also wozu das Gespräch führen, wenn nicht zum beiderseitigen Gewinn?

Im “anderen Zustand” – der Erfahrung von Fülle, von innerer Ruhe, Ehrfurcht vor der Natur, vor der Schönheit (Musil). Wenn die Kräfte sich gegenseitig verstärken. 

 

bookmark_borderUrteilsfehler

Wir sehen heute klar, was wir in der Vergangenheit falsch gemacht haben: Weshalb wir heute vom Klimakollaps bedroht sind; oder dass wir die Natur zuweit zurückgedrängt haben, so dass sich Viren von bisher getrennt lebenden Tieren auf Menschen übertragen.

Aber wir sehen das erst heute. Es gab frühe Warner. Der Club of Rome wurde 1968 gegründet, das Buch “Grenzen des Wachstums” erschien 1972. Aber die Warnungen haben uns nicht genügend interessiert, um unser Handeln zu beeinflussen. Uns interessierten damals andere Dinge. Es dauerte 30 Jahre, bis wir die Realität wahrzunehmen und unser Handeln darauf einzustellen begannen.

Man kann sagen: damals handelten wir so, wie es richtig schien. Wir waren genauso vernünftige Menschen wie heute, mit intaktem Urteilsvermögen. Erst heute wissen wir, dass wir damals die Chance für wichtige Entscheidungen verpasst haben.

Und genau wie damals tun wir heute wieder eine Menge Dinge, von denen wir einige in 20 oder 40 ? Jahren als falsch beurteilen werden. Wir werden es wiederum erst im Nachhinein wissen. Als Gesellschaft handeln wir vielleicht nach Plan, aber das Resultat scheinen wir nicht voraussehen zu können. Wir wissen zwar, dass das so ist, tun aber weiterhin so, als ob wir wüssten, was wir tun. Dabei läuft alles immer wieder darauf hinaus, dass wir Probleme lösen müssen, die wir hätten vermeiden können.
There is no silver bullet. Die magische Formel ist noch nicht gefunden.

 

bookmark_borderFortschrittsglaube

Aus der Vergangenheit sucht sich jeder das heraus, was er will: Die einen die Geschichte des unaufhaltsamen Fortschreitens der Menschheit hin zu immer mehr Lebensglück, das sie sich mit ihrer wachsenden Vernunft erschafft. Die weniger optimistischen zeigen auf die nie dagewesenen Möglichkeiten zur Selbstvernichtung, die sie wider alle Vernunft hervorgebracht hat.

Mit Blick auf die Zukunft glauben Optimisten an die unbegrenzte Perfektibilität des menschlichen Geistes, die Fortsetzung der Geschichte des zunehmenden Glücks bis hin zur  Abschaffung des Todes und Besiedlung fremder Planeten – dem vorläufigen Ende der Erweiterung des Reichs menschlicher Herrschaft. Die anderen sehen es dagegen als erwiesen an, dass unser Planet schon viel früher unbewohnbar sein wird, nach Zerstörung der Biosphäre und/oder nach dem nuklearen Holocaust. Beide reklamieren für sich, die Zukunft mit grosser Wahrscheinlichkeit voraussagen zu können. Ihre Ideen finden Anklang in Politik, Forschung und Moralphilosophie. 

Ich glaube persönlich nicht an den selbstverschuldeten Untergang der Menschheit, aber er dennoch eintreten, bleibt immer noch genug Zeit, ihn zu akzeptieren. Und was das ewige Leben angeht, so hoffe ich sehr, dass es erst nach meinem Tod Realität wird.
Statt nach dem Glücks zu suchen, denke ich lieber daran, wie ich die kurze Dauer meines Daseins möglichst sinnvoll gestalten kann. Als Fortschritt zählt dann, was zum Erhalt des Lebens innerhalb der zu erwartenden Zeitspanne beiträgt, und was sein vorzeitiges Ende zu vermeiden hilft. Die Welt bleibt ein Ort der Unvollkommenheit. 

 

bookmark_borderWarum ich kein Aktivist bin

Die Welt ist schlecht, denn es gibt viele schlechte Menschen, das lässt sich täglich in der Zeitung nachlesen, oder auf Facebook. Auf der anderen Seite gibt es aber zum Glück auch ein paar gute Menschen. Einige von denen nennen sich Aktivisten. Die Überzeugung, besser zu sein als die Anderen gehört zu ihrer Grundausbildung.

Im Weltbild eines Aktivisten gibt es immer Täter, die für das Schlechte in der Welt verantwortlich sind. Sie handeln aus lasterhaften Motiven wie Gier, Bequemlichkeit, Stolz oder Dummheit. Die Opfer sind reinen Herzens, sonst wären sie ja selbst Täter, und sie sind alle unfähig sich gegen die Schlechten zu wehren, weshalb jetzt der Aktivist sich der Sache annehmen muss. 

Die Täter sind einfach zu benennen: Es sind alle, die nicht Aktivisten sind. Da die Aktivisten immer in der Minderzahl sind, müssen sich ständig laut und aufdringlich in Erinnerung rufen. Das nervt ingesamt, vor allem auch weil die vielen Aktionen, Pamphlete und Empörungsgesten nichts dazu beitragen, die tatsächlich vorhandenen Probleme anzugehen. 

Der Mathematiker Pascal hatte vielleicht Recht hatte, als er sagte: Das ganze Unglück der Menschen rührt daher, daß sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.

Aktivisten sind Verstärker des Unglücks.

 

bookmark_borderKarate als Lebensphilosophie

Karate, wörtlich “leere Hand”, ist eine waffenlose Kampfkunst. Für Angriff und Verteidigung werden Schlag-, Stoß-, Tritt- und Block- sowie Fussfegetechniken eingesetzt. 
Um Verletzungen im Training zu vermeiden und dennoch Distanzgefühl, Schnelligkeit, Schlagkombinationen und Abwehrtechniken entwickeln zu können, werden Techniken zwar mit maximaler Kraft und Schnelligkeit ausgeführt, aber kurz vor dem Auftreffen auf den Körper des Trainingspartners gestoppt. Das Wechselspiel von maximaler Effektivität und absoluter Kontrolle erfordert regelmässiges Training über mehrere Jahre.

Karate verlangt viel Koordination, Beweglichkeit, Kraft, und etwas Ausdauer. Für die Beurteilung des eigenen Trainingsfortschritts finden regelmässig Prüfungen statt, mit klar definiertem Programm, so dass man sich gezielt vorbereiten kann, dabei dennoch die Freiheit behält, das eigene Niveau im selbstgewählten Tempo zu steigern und sich schrittweise dem Ziel des schwarzen Gürtels zu nähern.

Karatetraining, vor allem das Sparring mit Partnern, stärkt die Gelassenheit und verringert Angstgefühle. Es fördert die Gewissheit, im Notfall richtig reagieren zu können. An die Stelle angeborener, unkontrollierter Abwehrreflexe tritt mit der Zeit die bewusste Haltung eines “Kommenlassen-Schauen-Reagieren”. Man lernt, auf die Menschen in unmittelbarer Umgebung zu achten, den Raum, in dem man sich bewegt und in dem man ja auch von den anderen wahrgenommen wird zu überschauen. Es fördert Selbstvertrauen, das auf einer realistischen Selbsteinschätzung gründet, denn im Karate lernt man nicht nur, stärker zu werden, sondern vor allem auch Strategien, sich gegen Stärkere erfolgreich zur Wehr zu setzen. Eine immer wieder geübte Abwehrtechnik ist Ausweichen –  wer kein Ziel bietet lässt auch auch den stärksten Angriff im Nichts verpuffen. 

“Karate ist Selbstverteidigung” wiederholte unser Lehrer K. Sugimura oft. Das  regelmässige Training ist Voraussetzung nicht nur für den Erhalt der Fähigkeit, sich verteidigen zu können gegen äussere Gegner, sondern ebenso für den achtsamen Umgang mit dem Leben selbst.